NEPOMUK / Sommerfest im Reutlinger Szenecaf
Bio-Würste zu abgespecktem Pop: Low-Fi an
der Hammond-Orgel
Volle
Hütte im Garten des Café Nepomuk, das mit Blues, Jazz und
Minimal-Pop sein Sommerfest feierte. Und während die Bio-Roten
auf dem Grill ein wenig unmotiviert auf das Ende ihres Daseins
warteten, huldigten um so energischer die afrikanischen
Trommeln dem pünktlich erschienenen Sommer.
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Turmperücke und Kongo-Groove: Gäste bei der Nep-Sommerfete.
FOTOS: KATHRIN KIPP
Irgendwie einsam und verlassen kamen sie
einem vor, die paar Bio-Würste auf dem Grill. Und so verspürte
man sofort den Drang, sich ihrer statt der anderen
Köstlichkeiten anzunehmen und sie von ihrem heißen und
fettigen Untergrund und ihrer Nacktheit zu befreien, sie in
die hübschen Servietten im weißblauen Rauten-Design zu hüllen,
mit Senf und Ketchup zu umfangen, um sie dann ihrer
endgültigen Bestimmung zu überführen.
Gibt es
etwas Schöneres als zu endlos kreisenden afrikanischen
Trommeln eine Rote in zünftig bayrischem Gewande zu
verschlingen? Hif & Zanga sorgten für die entsprechende
Easy-Living-Atmosphäre mit traditionellen Rhythmen und Liedern
aus dem Kongo, bei denen die E-Gitarre für den leicht
modern-funkigen Touch zuständig ist und das Saxophon immer mal
wieder eigensinnig auch seinen Senf dazu gibt. Und auch Andi
Zbik, ein Jazz-Drummer, der sich sonst bei "Schnute" und den
"Kronzeugen" austobt, hatte mit Geehye Lee und Branko Arnsek
ein sommerleichtes Trio zusammengestellt, das gelassen und
unaufgeregt der summertime mit lockeren Standards
frönte.
Kurz bevors dann richtig heiß wurde bei
der Feuershow eines Tübinger Trios, das brennende Fackeln und
Stäbe zu betörender Musik kreisen ließ, bis am Ende ein
Kugelblitz rasant über den Platz fegte, von dem leuchtend und
glühend das Feuer wegspritzte, dass es eine wahre Freude
war.
Den feuerfreien, dafür mit viel Orgel
angereicherten Abschluss gestaltete dann aber der Reutlinger
Low-Fi-Chef-Ideologe Stragula, Markus Schneller, der für sein
derzeitiges Hammond-Schauer-Projekt die drei Musiker(innen)
Plushbug, Mai-Goll und Frank Briggenatra von Die Gelb und den
Swellings um sich geschart hat, um eigensinnige
Dekonstruktionen dessen anzubieten, was die Pop-, Rock- und
Country-Geschichte der vergangenen 40 Jahre mühsam aufgebaut
hat.
Beatles, Kiss und Kylie Minogue werden mit
Hilfe zweier elektrischer Tasteninstrumente aus dem
zurückliegenden Jahrhundert zerpflückt, in ihre zentralen
Einzelteile zerlegt, analysiert, für zu überfrachtet befunden
und als Minimalismus-Version in Orgel wieder ausgespuckt.
Jedem Schnickschnack ist der Kampf angesagt. Nicht ohne
äußerst unterhaltsam zu sein. Dabei reitet Mai-Goll an den
Schlagzeug-Fragmenten in die Wüste voraus, der Rest folgt
wimmernd und seufzend dem blechernen
Ritt.
Während das Ganze eine abgespeckte Mischung
aus Folk, Country und 70er-Rock darstellt, sprüht Stragula im
Rhythmus Parfüm aus der Flasche. Showmäßig wird gerade kein
Feuerwerk gezündet, dafür zeigt die Formation in Bezug auf
ihre Requisiten fast schon verschwenderische Züge: Auf
Michaela am Keyboard türmt sich ein rosaroter Haarturm zum
statischen Lalala, und vor allzu aufdringlichen Fans schützen
zwei aufgeblasene Rieseninsekten, die mindestens genauso
schaurig dreinkucken wie das "Yellow Submarine" in
Marsch-Version klingt. Spätestens jetzt gerät einer der
hinteren Tische in Ekstase. Aber sie scheinen sich im Bierzelt
geirrt zu haben, denn wenig später sind sie verschwunden. Oder
hat sie etwa die rustikale Version von "I was made to loving
you, baby" von Kiss in die Flucht geschlagen? Einfach
respektlos! Doch, das hat was.
Reutlinger Nachrichten
Erscheinungsdatum: Dienstag 23.07.2002
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